Ein Schlagzeug neu erfinden
Ein akustisches Schlagzeug und die Lautstärke im Griff
„Ein richtiges Schlagzeug ist nun einmal laut“
Wir möchten uns damit nicht zufrieden geben und packen das Thema von Grund auf an. So manche Dinge sind wirklich Unsinn, aber den einen oder anderen Trick haben wir dann bei all den verrückten Experimenten doch gefunden.
Beginnen wir von Vorne:
Wir möchten das eigentlich „unmögliche Schlagzeug“ … guter Klang für eine Mikrofonierung und das bei möglichst geringer Lautstärke. Schon früh war nach vielen Tausend Euro und auch einigen Monaten der Tests für uns klar …. E-Drums sind keine Lösung, es ist etwas ganz anderes. Wir verstehen sie als Ergänzung und Sounderweiterung zu einem „echten Drum“. Von der Bassdrum, über Snare bis zu den Becken. Ein Schlagzeug muss akustisch sein, nur
wie macht man ein Drum leiser, sehr viel leiser?
Schon nach wenigen Wochen und ersten Versuchen ist klar, es gibt sogar gleich mehrere Wege ein Schlagzeug zu modifizieren und leiser zu machen. Die Tücke liegt aber (wie so oft) im Detail. Neben den erwähnten E-Drums waren auch Mesh-Head Umbauten kurz im Test: Drum-Tec/VST-Plugins = Nein. Die Spezialisten für reduzierte Drums aus Hamburg ebenso. Aber Adoro ist immer noch zu laut. Wir geben nicht auf.
„Man muss es wirklich wollen“
Vielleicht liegt hier ein Grund darin, warum die Musikindustrie nicht wirklich am Bau leiser Drumsets mit all seinem Know How arbeitet. Es gibt keine echte „leise Konkurrenz“. So wird also weiterhin die Snare allen Protagonisten auf der Bühne und Gästen im Saal „um die Ohren fliegen“. Dabei war es nicht immer so!
Drums waren nicht immer so laut!
Vor der Zeit der großen Verstärker klang da sehr viel noch ganz anders. Das haben wir bemerkt, als wir in Bonn alte Snares aus den 50 und 60er Jahren angespielt haben. Wir haben dann in Berlin einen Schlagzeugbauer gefunden, die sich auf Umbauten spezialisiert hat und uns bei der ganzen Aktion hilft. Wir suchen also leise „Vintage Drums“ (weltweit) und anschließend machen wir das dann noch leiser. So der Plan!
Wir müssen der Sache auf den Grund gehen und darum fangen wir von vorne an. Es wird gesägt, geschraubt und geleimt. Wir kaufen unterschiedlichste Felle und auch Trigger. Vielleicht ist ja auch ein MIX aus A- und E-Sound ein Weg. Mmmh mal sehen. Piezzo, FSR und viel in den Staaten, das es hier nicht gibt. Wir bestellen was nur gut und probieren.
Kein Weg zu weit, keine Einfuhrgebühren zu hoch und keine Säge macht halt, selbst vor Raritäten
Das wird manch einem die Tränen in die Augen treiben, schönste Gretsch Drums aus den 60er Jahren werden „zerstückelt“ und müssen für die nächsten Tests herhalten. Die Bassdrum wird nur noch halb so tief, ebenso werden die Toms um 40% gekürzt.
Es ist erstaunlich, wie gut das trotzdem noch klingt. Größerer Bedeutung haben jetzt die Felle, weiterhin Resofell und Snareteppich. Die unterschiedlichsten Felle kommen zu Einsatz und das jeweils im Test mit Mikrofonie und auch verschiedenen Sticks. Die Snare konnten wir um fast 70% reduzieren, die Bassdrum um etwa 60%. Toms, Hihat und Becken sind ebenfalls leiser geworden und irgendwie passt das jetzt auch alles viel besser zusammen. Die Hihat hat eine echte Chance gegen die Snare und zu unserer aller Freude, klanglich haben wir nur sehr geringe Einschränkungen hinnehmen müssen.
Kompromisse, die Mitte ist das Ziel.
Die meisten Musiker machen Kompromisse: E-Piano vs. Flügel, Hammond B3 vs. Hoax oder Nord usw. Was nützt die tollste Snare, wenn ein wirklich sauberer Mix kaum möglich ist und allen um die Ohren fliegt. Wenn die Übersprechung so groß ist, dass es kaum möglich ist die Hihat mit dem Overhead vernünftig aufzunehmen. „PENG“, die Snare ist überall. Wir haben daher kein schlechtes Gewissen und konzentrieren uns weiter darauf, was SINN macht, für uns!
Um zeitgemäß auch eine größtmögliche Flexibilität zu erhalten, sind neben den Mikrofonen zusätzlich auch Trigger angebracht. Das reine Triggersignal wird eigentlich kaum verwendet, bis auf wenige Effekte, überwiegend werden diese Signale dem Akustiksound hinzugemischt.
Vielleicht eine Kombination aus Akustik und Trigger-Sound?
Attack vom Mikrofon und den WUM vom Soundmodul?
Die 2 Box hat eine Latenz von 4,3ms und darum „VORSICHT“, einfach übereinander geht das nicht. Die Eingänge der Drum-Mikrofone werden daher am Mischpult um etwas mehr als 4ms verzögert. Weiterhin muss bei der Überlagerung von zwei Sounds extrem auf die exakte Stimmung geachtet werden. Das hatten wir uns einfacher vorgestellt. In der Praxis funktioniert das sicherlich sehr gut, Low- und Highcuts helfen beim Feinschliff. Die Transienten kommen vom Mikrofonsignal und aus der 2Box kommt die Unterstützung im Ton. So passt es am Ende erstaunlich gut und das Drum hat extrem viel Dynamik, leise und trotzdem viel DRUCK. Aber es geht auch ohne Trigger: Unser leises Drum klingt und eine Mikrofonierung geht auch.
Nur in unserem Fall haben wir uns für diese LIVE-Variante entschieden, da es in kleinen Räumen schwierig werden kann, wenn die Bassboxen nur 2m von der Bassdrum entfernt stehen.
Die Mühe hat sich gelohnt, das fertige Drumset 2017
Hätte sich das Gretsch Drum „1968“ träumen lassen, dass es fast 50 Jahre später noch immer „lecker“ daherkommt und live on stage bestaunt werden kann?
In Kombination mit den richtigen Fellen und einem Beater aus Leder (wurde angefertigt) haben wir ein Drum in Zimmerlautstärke das klingt. So etwas ist dann auch bei langen Proben ohne Gehörschutz lange spielbar. Mit der besagten Triggerkombination ist das für uns dann auch bei Auftritten entsprechend flexibel und zeitgemäß. Wir spielen ja auch DANCE/Charthits Auf einer Fläche von 1,60m x 1,30m steht es da und freut sich auf den ersten Auftritt.
Und dann war es so weit,
der erste Auftritt mit dem neuen Schlagzeugs. Ein Auftritt in der Stadthalle in Gladbeck. Wir sind schon weit gekommen, aber noch nicht am Ziel. Wir müssen noch weiter daran arbeiten. Becken sind noch das Problem und die Snare hat zu wenig Attack. Auch die Stimmung ist noch etwas zu tief. Wir versuchen weiter andere Materialen und testen auch verschiedene Mikrofone. Es bleibt also spannend. Machen wir uns zunächst an RIDE und Crash.
Becken, Ride und Crash leiser machen
Nachdem wir auch die 80dB Serie von Zildjian (low noise) getestet hatten und alles an handelsüblichen „Dämpfern“ so ausprobiert, stellten wir uns die Frage:
Hat sich von den Herstellern wirklich ein Fachmann mal ernsthaft mit dem Thema beschäftigt oder war das der Praktikant, weil … leiser machen ist ja nichts für Profis?
So ähnlich kam es uns zumindest vor. Denn die Lösung war nach etwa 2 Tagen gefunden und die im Handel erhältlichen Materialien sind total ungeeignet für leisere Becken. Ebenso ist die Zildjian Low Noise Serie einfach viel zu leise. 80dB ist nun wirklich etwas wenig. 90 dB liegt doch immer noch im Bereich der Zimmerlautstärke. In jedem Kindergarten haben wir sogar mehr als das. Warum also so extrem leise? Sie können alles vergessen und berücksichtigen:
Es muss weiterhin schwingen können. NIEMALS dämpfen, nur die Energie verringern
Das geht mit sehr leichten Materialen die Schwingung zwar aufnehmen aber nicht völlig verhindern. Für die Reduzierung am Rand und daher eignen sich beispielsweise eine Leine sehr gut, siehe Video. Da sie über das Becken hängen, reduzieren sie am Rand stärker und zur Mitte hin weniger, was auch richtig ist. Mit etwas „Willen“ haben wir für 10,- Euro ein normales Becken auf 90 dB reduziert und es ist alles andere als unspielbar. Das Messgerät ist erforderlich um den extremen Unterschied zu verdeutlichen. Normale Aufnahmegeräte können diese Lautstärke und die damit verbundene große Dynamik nicht verarbeiten.
Natürlich, diese Idee ist total verrückt … aber
der Beckentest zeigt, was uns bereits in den vorangegangenen Monaten aufgefallen ist: Es gibt schon bessere Wege, als eine Gummi-Matte. Es mangelt leider oft an der wirklichen Bereitschaft der Entwickler. Es mangelt auch daran, mal was ganz anderes einfach zu probieren.
Eine Snare in Zimmerlautstärke, unter 90 dB !
Wir haben einen langen weg bei diesem Thema hinter uns. Die Snare ist eigentlich das Problem überhaupt. Wir haben alle Materialen probieriert, jeden Durchmesser und jedes erdenklich Fell in Kombination mit durchgedrehten Sachen. Haben Felle kombiniert, die man nicht kombinieren sollte …. und am Ende ??
Am Ende war es dann doch nur ein Kompromiss und wir kamen um eine Dämpfund nicht umher. Wir blieben bei einem weichen Hol7. Haben eine DW 13×7 mit verschiedenen Fellen ausprobiert und einen großen Test mit verschiedenen Schlagzeugfellen gemacht. Im Livebetrieb ist dann unter 97 dB geblieben. Wir haben aber dadurch den „Weg“ erkannt und reduzieren nun zunächst das Schlagfell der Snare weiter. Auch der Snareteppich wird zu einem späteren Zeitpunkt noch ein Thema sein.
Finale | Das war noch nix … noch einmal eine neue Snare – TEIL II
Da wir uns vom Trigger an der Snare verabschiedet haben, wurde es eine 13x7DW Snare mit einem hoch gestimmtes Aramidfaser-Schlagfell und darauf ein „Fat Big Snare“, oder den Donut. Das reduziert deutlich und ist dank der hohen Stimmung durch das Aramidfaserfell im „normalen“ Bereich. Resofell und Teppich wurden entpsrechend angepasst und auch da haben wir über 10 Modelle ausprobiert ……
Hier ein vergleich und ein Beispielvideo … um den Unterschied im Pegel zu demonstieren
Es funktioniert in der richtigen Kombination. So wie dieser Sänger, mit dem Mikrofon an diesem Vorverstärker gut klingt, so verhält es sich auch mit der eigenen Spieltechnik, Schlagfell, Kessel und Resonanzfell.
- Einen kleineren Drumkessel.
- Schlagfell hoch stimmen und dämpfen mit Ring/Donut.
- Unterhalb der Snare ein zweites Fell legen (Teppich reduzieren)
Live Beispiel, Handyvideo
Das klingt jetzt echt so, als sei das alles Unsinn. Ja, wir haben Dinge gemacht, die sollte man nicht tun …. Aber am Ende haben wir gemerkt, es geht. Die Kombination macht es und wenn man es richtig mikrofoniert, dann klingt ein Set selbst bei einem Handyvideo noch rund und die Snare bleibt im Mix.
JA – KOMPRISS – ALTERNATIVE – Schlagzeug ist so laut, dass die Snare immer über allem liegt und überhaupt keine Mikrofonierung mehr möglich ist. Es ist die Frage, was Sinn macht und wir haben gemerkt, die Hersteller befassen sich nicht wirklich ernsthaft mit der Thematik und produzieren so, wie es eben schon seit 50 Jahren gemacht wird.
Hersteller wie Agean Cymbals oder TongXiang, Chang, oder Arorea haben auf der Musikmesse 2017 in Frankfurt Ride und Crash-Becken mit 90-94 dB präsentiert. Es tut sich was und zunehmend sind sich Anbieter dieser Thematik bewusst, nicht nur für den Heimbereich und Drumsets für Kinder.
Abkleben, ausstopfen usw wird oft gemacht, ist aber nicht der richtige Weg. DIE ENERGIE MUSS REDUZIERT WERDEN, nicht das Schwingen.
2020 Wir sind schlauer geworden
Zugegeben, das Schlagzeug ist wieder etwas lauter geworden. Trotzdem nutzen wir die oben aufgeführten Möglichkeiten bei kleinen Events unter 100 Personen. Ein E-Drum kommt auch 2020 nicht in Frage. Da nützen 1,2 GB für einen Snare-Sound nichts und neueste Triggertechnologie auch nicht. Wir haben aber noch etwas gefunden, dass uns alle überrascht hat!
Nie im Leben hätten wir Glockenbronze bei der Suche nach eine „erträglichen“ Snare in Betracht gezogen. Jetzt sind wir alle schlauer geworden.
Glockenbronze 10KG Snare und LEISE ????
Es ist ein Traum für jeden Drummer und
auch ein Traum für alle anderen auf der Bühne. Ich bin leider noch immer kein Fachmann und kann die Physik dazu hier nicht erklären. Fakt ist und bleibt: Diese Snare und auch andere Modelle von MDP Drums (12×6″) sind unfassbar gut und wir raten wirklich jedem: SCHAUT EUCH DIESE SNARES AN und spielt sie zur Probe.
Ja, leicht ist anders. Aber warum machen wir Musik? Wer sich diese Frage selbst beantwortet hat und Frieden machen möchte, seine Suche nach „DER SNARE“ beenden, der muss einfach diese Snare einmal probiert haben. VORSICHT: 100% KAUFGEFAHR!